& I know that it’s a wonderful world but I can’t feel it right now.

Hallo ihr Lieben,

heute möchte ich Euch einige unserer Kinder vorstellen, mit denen wir derzeit arbeiten:

*Tatiana (10): 3 Geschwister, die alle jünger wie sie sind. Ihre Mutter ist tagsüber immer bei den Drogenabhängigen, Susi hat sie dort erst vor Kurzem herausspazieren sehen. Sie sieht absolut fertig aus und ist vermutlich wie die meisten Mütter Prostituierte. Tatiana weint öfters in IBTE. Mit diesem Hintergrundwissen kann man sich vorstellen, dass sie nicht nur wegen den Situationen weint, in denen sie sich in diesem Moment befindet, sondern einfach wegen allem-ihrer ganzen Situation.
Sie sorgt sich um ihren 6 Jahre alten Bruder, welcher absolut anstrengend ist. Doch sie muss mit ihren 10 Jahren schon Mutter spielen, nur weil ihre Mutter versagt.

*Naiara (10): Auch sie hat 3 Geschwister, jedoch ältere. Ihre Mutter sieht unheimlich fertig aus, hat an vielen Stellen keine Zähne mehr, aber prostituiert sich und das IM Zimmer der Familie. Wahrscheinlich für nicht einmal umgerechnet 5 Euro!
Ihr Bruder (15/16) hat so sehr mit Drogen gedealt, dass er rausgeworfen wurde, weil er auch Sculden hatte. Ihre Schwester Miriam (13) muss seit kurzem jeden Tag arbeiten, wahrscheinlich aus dem Grund, dass ihr Bruder nicht mehr dealt und somit kein Geld mehr mit nach Hause bringen kann.
Sie war eigentlich auch immer bei uns und eines der schwersten Kinder. Sie benötigt alle Aufmerksamkeit für sich und ist jederzeit eingeschnappt, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht.
Die Mutter war heute mit bei IBTE. Sie hat uns erzählt und gefragt, ob Deutschland eigentlich in Brasilien liegt-genau da sieht man, welches Verständnis sie zum Rest der Welt haben-keines.
Sie ist bestimmt noch nicht einmal 40 und sieht schon aus, als wäre sie Ende 50.-einfach nur absolut verbraucht.

*Joana (10): Ihre Mutter hat wohl einen recht normalen Job, arbeitet jedoch den ganzen Tag. Joana und ihr etwas älterer Bruder Matteus sind den ganzen Tag alleine. Joana ist sehr introvertiert und redet kaum etwas, ohne, dass man sie dazu auffordert. Dass das einen Grund hat, haben wir uns schon lange gedacht. Vor kurzem haben wir erfahren, dass ihr Bruder sie beschimpft, sie hässlich nennt und sie schlägt.
So ein kleines, zerbrechliches Mädchen.

*Isabella (10): Auch sie hat noch weitere 2 Geschwister. Eine ältere Schwester (13) die als „Marktschreierin“ arbeitet und einen kleineren Bruder (ca. 8)
Ihre Mutter ist seit der letzten Geburt herzkrank. Jedoch hat sich erst vor kurzem herausgestellt, wie schlecht es um sie steht. Sie kann nichts mehr alleine tun, sich weder anziehen, noch ihre Haare kämmen.
Seit ein paar Tagen sind wir öfters bei Ihr und beten für sie. Am Montag soll sie operiert werden, das ist jedoch auch schwer, weil die meisten hier nicht krankenversichert sind und ihre OP wurde schon des Öfteren aus verschiedensten Gründen verschoben.
Bei ihr hat man jedoch das Gefühl, dass sie liebevoll mit ihren Kindern umgeht, aber kann natürlich auch sein, das ist nur so, wenn wir da sind. Wir hoffen es nicht.
Die Kinder sind auch sehr liebenswert. Sie waren heute das erste Mal bei uns dabei und wir haben uns sofort mit ihnen angefreundet. Isabella hat schon nach 2 Schritten meine Hand gehalten und hat sie jedes Mal nicht mehr losgelassen-da merkt man sofort, was ihnen fehlt. Sicher ist es auch nicht leicht, ohne Vater aufzuwachsen, aber wie ich es verstanden habe, hat er sich aus dem Staub gemacht. Wie so eigentlich alle Väter der Kinder.

Einiges haben diese Kinder gemeinsam:
-Sie alle leben in demselben besetzten Hochhaus auf geringstem Raum mit einer maximalen Personenzahl.
-Sie alle haben keinen Vater.
-Die meisten ihrer Mütter prostituieren sich und vernachlässigen die Kinder.
-Sie alle sind tag täglich auf sich selbst gestellt, obwohl sie noch so jung sind und haben keine Perspektive, weil ihnen niemand eine bietet.

Und das ist wahrscheinlich nur sehr wenig das wir über sie wissen.
Ich will mir manchmal gar nicht vorstellen, was sich hinter den Kulissen bzw in dem Hochhaus abspielt.

Oft fällt es einem schwer, wenn die Kinder sich absolut daneben benehmen, einfach nur machen, was sie wollen, keine Manieren an den Tag legen, einen beschimpfen (so hat man zumindest das Gefühl) oder sonst irgendetwas Unverständliches tun.
Man wird, ohne dass man es will, etwas sauer. Aber genau in diesen Situationen muss ich mir immer wieder neu sagen:
Woher sollen sie Regeln kennen, wenn sie nie welche hatten?
Wie sollen sie sich gut benehmen, wenn es ihnen nie jemand beigebracht hat?
Wie sollen sie normal mit mir reden, wenn niemand normal mit ihnen redet, sie missbraucht und beschimpft werden von Familienmitgliedern etc?
Woher sollen sie wissen, was richtig und falsch ist und was sich gehört, wenn ihre Mutter/Eltern sich nie um sie kümmern und sie den ganzen Tag auf sich selbst gestellt sind?

Heute war für mich irgendwie echt ein krasser Tag, an dem mich das Leid hier richtig getroffen hat, obwohl nichts sonderlich besonderes passiert ist.
Wir saßen am Straßenrand und haben Churrasko gegessen-wie so oft-dabei hatte ich viel Zeit, die Menschen um mich herum zu beobachten. Aber ich konnte nicht über ihre seltsamen Bewegungen, lustigen Frisuren oder sonst etwas lächeln, wie man es manchmal in Deutschland tut, sondern sie taten mir alle einfach nur Leid.

Es kamen mindestens 3 Kinder vorbei, sie waren sicherlich nicht älter als 14 und verkauften Dinge oder machten „Straßenmusik“. Vor meinem inneren Auge lief der Film, wie sie heimkamen und von ihren Eltern geschlagen wurden, weil sie zu wenig Geld mitbrachten. Das muss natürlich nicht so sein, aber es ist so wahrscheinlich. Einige Jungs kommen im Moment nicht mehr zu IBTE, weil der Vater sie zwingt, zu arbeiten. Sie müssen ihm das verdiente Geld bringen!

Außerdem kamen natürlich zig Drogenabhängige vorbei, manche total in Trance-sie bekommen nichts mehr mit von der Realität, laufen einfach nur fertig und absolut kaputt durch die Straße.
Natürlich gibt es viele Plätze, wo sie sich sammeln, mittlerweile ist das jedoch normal für mich, dass sie dort an der Straße liegen-unglaublich, und manchmal erschreckend wie schnell das normal für einen wird.
Wir haben mit Susi noch eine Weile darüber geredet und sie meinte, dass sich die meisten drogenabhängigen Frauen natürlich auch prostituieren und sogar noch billiger, für umgerechnet ca 2,50 Euro-nur um sich die nächste Portion Craig kaufen zu können. Natürlich haben sie alle Aids und andere Krankheiten.
Des Öfteren  schon habe ich gesehen, wie sie direkt vor meinen Augen gedealt haben.
Ich habe heute auch einen Mann vor mir gesehen, er hatte eine bestimmt 5cm tiefe Wunde am Bein, sie war sehr groß und man konnte das Fleisch sehen. Wenn ich jetzt daran denke, kommt mir schon wieder fast der Churraskospieß hoch, es war wirklich total eklig. Trotzdem hat er mir irgendwo Leid getan, weil er wahrscheinlich gar nicht weiß, zu welchem Arzt er gehen soll und ich auch nicht weiß, ob er ihm helfen würde, weil er vielleicht eben wie so viele gar nicht krankenversichert ist.

Es gibt im Moment Tage, an denen mir die hässliche Stadt hier echt zum Hals raushängt und ich endlich mal wieder etwas Schönes sehen will.
Ich sehe Bilder von anderen, wie sie am Strand chillen oder wunderschöne Dinge sehen und ich beneide sie… trotzdem weiß ich, dass dahinter, dass ich hier bin eine Absicht steckt.

Schon wenn ich ihnen ein Lächeln abgewinnen kann, macht mich das glücklicher und vor allem heute Morgen hatten wir wirklich Freude. Wir haben das erste Mal mit ihnen gesungen und ich habe gemerkt, wie viel Spaß es ihnen macht. Auch wenn es natürlich schwer war, weil jeder auf dem Keyboard spielen wollte und sie die Regel, dass nur ich spiele nicht verstanden haben und auch nicht verstehen wollten.
Aber es war ja auch das erste Mal heute für sie und sie waren erstaunt, was es alles gibt, als ich mit ihnen am Laptop ein Lied ausgesucht habe.
Sie sind mit so kleinen Dingen zufrieden, mit denen wir uns nicht zufrieden geben würden.
Wir wollen immer mehr und mehr und wissen nebenbei gar nicht, wie gut es uns geht.
Natürlich weiß ich, dass das schwer ist, sich das klarzumachen, wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht, aber mitgeben kann ich es Euch trotzdem.
Ich hoffe, ihr könnt es Euch ein bisschen besser vorstellen, wenn ihr es von mir berichtet bekannt, anstatt es nur im Fernsehen oder sonst wo zu sehen.

Ich bin selbst fast ein wenig verwundert, wie tiefgängig mein „Artikel“ heute ist, aber es bewegt einen doch so einiges hier, selbst wenn man das in manchen Situationen gar nicht bemerkt. In anderen, so wie heute, kommt dann alles zusammen.
Ich will hierbei keineswegs irgendwelche Kinder öffentlich mit ihren Problemen zur Schau stellen oder Dinge begründen, die ich nicht begründen kann. Es sind einfach nur meine derzeitigen Gedanken und wenn  ihr anders darüber denkt, ist das auch in Ordnung.

Um wieder etwas mehr Freude zu verbreiten, stelle ich noch ein paar Bilder der letzten Tage online.
Ich würde mich sehr freuen, von Euch zu hören, denn ihr fehlt mir natürlich ziemlich!!
Eure Jana

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3 Antworten zu & I know that it’s a wonderful world but I can’t feel it right now.

  1. Heike Mattes schreibt:

    Hallo Jana,

    habe soeben Deinen Bericht über deine Erfahrungen gelesen – das hat mich schon ganz schön mitgenommen. Es ist schon traurig , wie es in der Welt zugeht. Ich ziehe den Hut vor Euch beiden wie Ihr das meistert. Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft

    Liebe Grüße auch an meine Jana

    Heike Mattes

  2. Christinchen Ritzi schreibt:

    Liebe Janas!Ich möchte euch einfach von Herzen Danke sagen,
    dass ihr euch nach Brasilien aufgemacht habt und das ihr euch mit
    Leib und Seele einbringt!
    Ich habe bei Janas Aussendung gesagt, dass ich ihr Wünsche das
    ihr die Nöte und das Elend zu Herzen geht- ihr Herz aber nicht
    hoffnungslos wird.
    Das wünsche ich euch, dass ihr Hoffnung und Perspektive für jedes
    eurer Kinder habt und ihnen diese auch vermittelt.
    Wir hier sind stolz auf EUCH!!!!
    Christine

  3. Ursula Klamert schreibt:

    Liebe Jana „unbekannt“ und liebe „unsere“ Jana,
    vielen Dank für Deinen sehr anschaulichen und bewegenden Bericht! Ich sitze wieder- wie jedes Mal, wenn Ihr schreibt- heulend am Laptop… und bin einfach nur dankbar für Eure Ehrlichkeit, mit der Ihr Euch Eurer SItuation stellt, für Euren Mut, Eure Liebe und Euren Glauben. Gebt nicht auf, für das Einzelne unter den Kindern zu hoffen und ihren Wert und ihr Potential zu sehen. Ich wünsche Euch sehr die Kraft und alles, was braucht. Gott segne Euch!!
    Danke, dass Ihr uns immer wieder aus unseren Unwesentlichkeiten heraus holt.
    Ganz liebe Grüße,
    Ursu

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